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Jenke Nordalm
Johannesstr.20
70176 Stuttgart

Unschuld

von Dea Loher

Theater Freiburg. Premiere 13.05.2006

Regie und Ausstattung: Kranz/Nordalm

Mit: Miguel Abrantes Ostrowski, Babett Arens, Alexander Gamnitzer, Hülya Karahan, Roman Kohnle, Gabriele Köstler, Christopher Novak, Viola Pobitschka, Janina Sachau, Thiemo Schwarz, Julius Vollmer, Bruno Winzen

Pressestimmen

"In der brillanten Freiburger Inszenierung von Daniela Kranz und Jenke Nordalm geben sich die Gestrandeten in schroffen Szenenwechseln die Klinke in die Hand. In Parallelhandlungen werden verschiedene Erzählfäden aufgenommen und so behutsam, wie virtuos wieder zusammengeführt. Leichenbitter kommentiert die Diabetikerin Frau Zucker...die gescheiterte Ehe von Rosa und dem Bestatter Franz. Rosa wird vielleicht die Frau sein, die zu Beginn ins Wasser gegangen ist. Doch bereits in ihrem bleichen Aufbegehren gegen die Nichtbeachtung durch ihren Gatten wirkt sie, wie nicht ganz von dieser Welt... Berauschend..., wenn der skurrile Humor der Protagonisten die Hoffnungslosigkeit durchbricht...Zwischen hohen Plexiglaswänden hat man im Freiburger Kleinen Haus die Verlorenen, die Verzweifelten und Vertriebenen versammelt. Der Rand der Gesellschaft ist in die Mitte der Bühne gerückt. Währenddessen wird hinter den transparenten Wänden Bürgerlichkeit simuliert. Um so treffsicher deutsche Befindlichkeit ins Visier nehmen zu können wie Dea Loher, muss man vielleicht Jägerstochter aus dem bayrischen Traunstein sein. Auch in Freiburg ging der Schuss ins Schwarze."

Frizz, Juni 2006

"Unbeirrt von Moden und Zeitgeist macht Loher ein unaufdringlich engagiertes, absolut zeitgenössisches Theater, sarkastisch grimmig, mit einem scharfen Blick und großem Herzen für die Sinn- und Gottsucher, Verlorenen und Verzweifelten...Dass die Schwere ihrer alltäglichen Schicksalsdramen nie erdrückend wirkt, liegt einmal an der poetischen Kunstsprache, die Monologe, Szenenanweisungen, Erinnerungen und Erzählerkommentar bruchlos verknüpft. Und in Freiburg auch an einer Regie, die dem gehäuften Unglück groteske und komische Seiten abgewinnt. Daniela Kranz und Jenke Nordalm inszenieren die 19 Szenen leichthändig und abwechslungsreich: als Beckett'sches Clowns-, als Slapstick-, HipHop-Klagelied, metaphysischen Maskenball oder makabre Soap Opera. Die Bühne ist schwarz und leer. Hinter Plexiglaswänden warten die Unglückssucher mit dem Helfersyndrom auf ihren Einsatz...Aber mit schönen bunten Kostümen, feinen kleinen Verfremdungseffekten und einem gut aufgelegtem Ensemble ist auch die traurigste Elendsrevue gut auszuhalten. Am Ende steht Viola Pobitschkas arme Rosa, die Frau im Meer, mit triefenden Kleidern und hängenden Schultern an der Rampe und isst die Mon-Chérie-Praline, die Franz ihr nie schenken wollte. Aber bevor man aufatmen kann, löst sie schon die Riemen ihres Schus, um wieder ins Wasser zu gehen. Das Rad des Unglücks dreht sich ewig weiter."

Badische Zeitung, 15. Mai 2006

"Vor sich das Meer, hinter sich das Selbstmörderhochhaus, das schafft keine wirklichen Perspektiven. Niemand, der hier glücklich wäre oder keine Schuld auf sich geladen hätte...Blind sind zu Beginn der zweistündigen Inszenierung ... die beiden Seiten der Bühne im Kleinen Haus, die hintere Wand bleibt karg, so wie die Regie weitgehend ohne Requisiten auskommt. Als Momentaufnahme verbleibt das Bild einer der Figuren kurz an der Rückwand. Später werden die Seitenräume sichtbar: ein zweistöckiger gesellschaftlicher Querschnitt, pittoresk beleuchtet, der immer wieder ins Dunkel fällt. Ärzte, ein Ehepaar, die beiden illegalen Afrikaner verdösen hier durch Glas von der eigentlichen Spielfläche getrennt ihre Zeit. Eine kluge Bühnenlösung des Regieteams, macht sie doch durch die Präsenz der Darsteller deutlich, wie sehr die einzelnen Biographien und Geschichten zusammenhängen. Überhaupt ist Lohers Drama ein dicht gewebter Text, der trotz seines negativen Tenors sehr komisch ist. Die kleinen Episoden fügen sich zu einem Panorama einer Gesellschaft, die für ihre Konflikte keine andere Lösung findet als darüber zu reden... Dennoch unterhält "Unschuld" und fordert gleichzeitig zur Auseinandersetzung auf."

Kulturjoker, Juni 2006